Diese Webseite nutzt Cookies

Diese Webseite nutzt Cookies zur Verbesserung des Erlebnisses unserer Besucher. Indem Sie weiterhin auf dieser Webseite navigieren, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Mehr

Duuuuu? Ist das Christkind ein Junge oder ein Mädchen?

An Weihnachten erstrahlt die christliche Symbolfigur in vielfältigem Glanz

Kinder schaffen es ja, mit ihren Fragen die Dinge – nunja – eben in Frage zu stellen. Denn wenn wir ehrlich sind, haben jahrelange mediale Prägung und die Darstellung in Krippen und Kirchen schon ihr Übriges getan und ganz spontan würden wir vielleicht antworten: "Natürlich ein Junge". Aber diese nur auf den ersten Blick naive Frage ist – because it’s 2018 – durchaus einige Gedanken mehr wert.

In christlich geprägten Regionen wie Deutschland wird mit „Christkind“ häufig der neugeborene Jesus von Nazareth gemeint, dessen Geburt Christ*innen in aller Welt am 24. Dezember feiern. Als Gottes Sohn zu Erde gesandt, liegt das Baby meist in einer Futterkrippe, umringt von Maria und Joseph, Ochs, Esel und den heiligen drei Königen. Bezieht man also „Christkind“ rein auf das biblische Jesuskind, ist es wohl nicht ganz falsch zu sagen: „It’s a boy!“

Ausgehend von dieser Bedeutung hat sich die Symbolfigur des Weihnachtsfestes allerdings im Laufe der Zeit erheblich weiter- und eine gewisse Eigendynamik entwickelt. So ist das Christkind heute vielerorts generell einfach die Person, die den Kindern an Weihnachten im Verborgenen die Geschenke bringt. Blondgelockt, mit Flügeln und Heiligenschein, in Weiß Gold gekleidet - also eher eine mythologische Fantasiegestalt, halb Jesuskind, halb Engelchen, ein androgynes Wesen. Lässt sich also wissenschaftlich belegen, dass das Christkind vielleicht intersexuell ist? Nein, denn das Christkind ist laut dem Weihnachtsforscher Prof. Manfred Becker-Huberti geschlechtslos. Niemand hat es je gesehen. Insofern kann natürlich auch niemand wissen, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.

Besonders im Süden und Westen Deutschlands freuen sich Kinder auf dieses Christkind, während im Norden und Osten Deutschlands an Heiligabend zunehmend der Weihnachtsmann seinen großen Auftritt hat. Aber nicht nur in Deutschland, sondern etwa auch in Slowenien, Kroatien oder Südbrasilien glauben Kinder an ein Christkind, das zu Weihnachten durch die Lüfte fliegt und Geschenke verteilt.

Auch Erwachsene freuen sich an Weihnachten über Geschenke, als Zeichen der Wertschätzung oder schlicht, um anderen eine Freude zu machen. In Regionen, wo das Christkind diese Geschenke bringt, werden daher auch die Gaben manchmal als Christkinder bezeichnet. So zeigt sich unter Anderem sprachlich, wie wichtig diese kleinen Aufmerksamkeiten für das Miteinander sein können. Im Österreichischen geht man sogar noch einen Schritt weiter: Dort wird manchmal auch der*die Schenkende selbst liebevoll Christkindl genannt.

Beheimatet in der Frankenmetropole Nürnberg ist uns persönlich ein weiteres Christkind ganz nah – auch wortwörtlich, denn unser Büro liegt gleich oberhalb der Burg, in Laufweite zum traditionsreichen Christkindlesmarkt (ja, bitte, ChristkinDLESmarkt). Das Nürnberger Christkind ist Symbolfigur des Marktes und eröffnet ihn seit über 65 Jahren vom Altan der Frauenkirche am Nürnberger Hauptmarkt herab. Verkörpert wurde diese Engelsgestalt - blondgelockt, bekrönt und im goldenen Gewand - zunächst von einer Schauspielerin. Seit 1969 jedoch wird das – immer weibliche – Christkind im zweijährigen Turnus gewählt. Dieses Ehrenamt erfordert viel Persönlichkeit, Engagement und Geduld, da das Christkind im Laufe seiner Amtszeit als Himmelsbotin unaufhörlich im Rampenlicht steht, soziale Einrichtungen besucht und alleine im Dezember über 100 Termine hat. Gleichzeitig ist das Christkind so etwas wie eine Botschafterin für Vielfalt, denn im Prolog zur jährlichen Eröffnung des Marktes betont es auch den Wert von Vielfalt und Zusammenhalt in der Stadt: „(…) Denn alt und jung zugleich ist Nürnbergs Angesicht, das viele Züge trägt. Ihr zählt sie alle nicht! Da ist der edle Platz. Doch ihm sind zugesellt Hochhäuser dieses Tags, Fabriken dieser Welt. Die neue Stadt im Grün. Und doch bleibt’s alle Zeit, Ihr Herrn und Frau’n: das Nürnberg, das Ihr seid (…)“.

Umgangssprachlich bezeichnet man auch Personen, die am 24. Dezember Geburtstag haben, oft als „Christkinder“. Und da man mit dem neuen Gesetz zum dritten Geschlecht künftig nicht mehr nur "männlich" oder "weiblich", sondern auch als "divers" im Geburtenregister eintragen lassen kann, gibt es jetzt auch in dieser Interpretation ganz offiziell "Christkinder" verschiedenster Geschlechter und Gender.


Quellen und mehr dazu unter:
https://www.philhist.uni-augsburg.de/lehrstuehle/germanistik/sprachwissenschaft/ada/runde_5/f01b/
https://www.dwds.de/wb/Christkind
http://www.christkindlesmarkt.de/das-christkind/das-nurnberger-christkind-1.2225696
https://www.n-tv.de/wissen/Was-ist-das-Christkind-article4998351.html

Foto © Uwe Niklas