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Für ein Land in dem für immer Frühling ist (Teil II)

22 Strategien, wie sich Diversity Manager*innen für den Schutz der Demokratie einsetzen können - denn ohne Demokratie keine Vielfalt!

Zu Teil I gelangt Ihr hier.

13. Zeigt auf, was noch alles geht

Rechtsextreme suchen gezielt nach Lücken in der Zivilgesellschaft. Sie organisieren Dorffeste oder engagieren sich im Sportverein. Als 2023 in Deutschland 60.000 neue Schöff*innen gesucht wurden, riefen rechte Netzwerke ihre Mitglieder auf, sich auf die Ämter zu bewerben. Vielen Menschen ist jedoch nicht klar, dass auch über diese Wege die Gesellschaft mit demokratiefeindlichem Gedankengut immer wieder in Kontakt gebracht und Strukturen unterwandert werden.

Informiert also auch darüber, in welchen Bereichen, die zunächst unpolitisch erscheinen, man genauso ein Gegengewicht gegen Rechtsextremismus bilden kann: den Aufbau beim Stadtteilfest übernehmen, Essen kochen bei der Wohnungslosenhilfe oder eben ein Schöffenamt am Gericht antreten. Wenn diese Ämter nicht mehr von Demokraten besetzt würden, gerate eine Gesellschaft in Schieflage, sagt die Sozialpsychologin Pia Lamberty.

Stellt eine Infoseite zusammen und zeigt auf, wieso dieses Engagement ebenso wichtig ist wie der Demo-Besuch und wo Eure Mitarbeitenden weitere Informationen dazu erhalten können. In vielen Städten und Gemeinden gibt es Freiwilligenagenturen, die den Überblick haben, wo ehrenamtliche Unterstützung gerade gesucht wird.

 
14. Haltet die Aufmerksamkeit hoch

„Die Grundlage allen Engagements ist Aufmerksamkeit für ein Problem oder eine Fragestellung. Egal ob rechtsextreme Umtriebe, Demokratieentleerung, Diskriminierung oder sonstige Schieflagen: Aufmerksamkeit sorgt dafür, dass die Gesellschaft nichts »unter den Teppich kehren« kann. Und sie hilft, Debatten anzustoßen und Gleichgesinnte zu finden.“

Aufmerksamkeit braucht aber auch Aufhänger. Gestaltet ein Programm, dass genau diesen Zweck verfolgt – über die nächsten Wochen und Monate hinweg, mindestens bis zur nächsten Bundestagswahl. Organisiert Themenwochen zur Demokratieförderung, Aktionen wie den Besuch eines Vereins, der sich für Dialog oder unabhängigen Journalismus einsetzt, veranstaltet immer wieder Vorträge, Lesungen, Challenges. Plant dabei so, dass Ihr Eure Energien und Ressourcen für diesen Marathon gut einsetzen könnt und erarbeitet Euch auch hierfür dauerhafte Unterstützung, beispielsweise von Eurem Mitarbeitendennetzwerk zur Demokratieförderung und der Unternehmenskommunikation.

 
15. Nutzt Social Media aktiv und bewusst

Der Umgang mit rechtsextremen Beiträgen oder Kommentaren auf Social Media ist eine Gratwanderung. Einerseits ist es eine explizite rechtsextreme Strategie, mit Desinformation, Opfer-Inszenierung oder anderen Taktiken die Aufmerksamkeit für eigene Themen zu erhöhen und sie dadurch zu normalisieren. Insofern gilt zunächst einmal „Don’t feed the troll“.

Andererseits wissen wir um die sogenannte „Schweigespirale“. Die Forschung dazu sagt aus, dass Menschen sich weniger trauen, ihre Meinung zu vertreten, wenn sie sich damit in der Minderheit wähnen. Schon dies wäre ein ausreichender Grund, dagegenzuhalten und klarzumachen, welche eigene Meinung man vertritt, um damit andere zu ermutigen, ihre Meinung ebenfalls zu äußern.

Dazu kommt: Ein virtuelles Experiment eines interdisziplinären Teams der Universität Duisburg-Essen (UDE) hat herausgefunden, dass bereits eine geringe Anzahl von 2 bis 4 % Bots in einer kontroversen virtuellen Debatte, bei der die Hälfte der Diskutierenden Pro, die andere Contra ist, dazu führen, dass sich die von den Bots vertretene Meinung durchsetzt. Es entstehe ein falscher Eindruck der Stimmungslage.

Wann welche Strategie die bessere ist, lässt sich wohl nur im Einzelfall entscheiden. Welchen Schaden würde es anrichten, wenn ein Post oder eine Nachricht durch einen eigenen Kommentar gepusht wird, und wo könnte es sich hingegen lohnen, klare Kante zu zeigen und dagegenzuhalten? Jedenfalls solltet Ihr beide Mechanismen kennen und darüber aufklären.

Über dieses individuelle Abwägen hinaus solltet Ihr vor allem die folgenden drei Strategien verfolgen:

  • Die Amadeu Antonio Stiftung empfiehlt, menschenverachtende Posts und Kommentare an Meldestellen wie HateAid oder REspect! weiterzugeben. In den meisten Fällen reiche es, anonym eine URL-Adresse anzugeben oder einen Screenshot zu machen. Anschließend prüfen Jurist*innen die Beiträge.
  • Verleiht vor allem Posts, die sich für die Demokratie aussprechen, die guten Nachrichten in den Mittelpunkt stellen, gute Recherchearbeit betreiben und Desinformationen entlarven, ohne ihre Narrativ zu wiederholen, durch Likes, Kommentare und andere Interaktion Aufmerksamkeit und vermittelt ihnen Zuspruch.
  • Richtet die Content-Strategie Eurer Diversity-Kanäle darauf aus, Posts zu teilen, die das Engagement gegen Demokratiefeindlichkeit sichtbar machen und andere ermutigen. Inspiriert, sprecht über Lösungen oder ruft zu Candy-Storms für Accounts auf, die im Kreuzfeuer rechter Kritik stehen oder die der Algorithmus wegen politischer Inhalte in die Unsichtbarkeit spült. Baut Euch gleichzeitig eine verlässliche Community auf, die auch Euch bei möglichen Shitstorms schnell unterstützen kann.

Um diese Strategien auch weiterzuverbreiten, startet Ihr vielleicht eine – ganz analoge – Postkartenaktion in der Kantine: „Wie gehe ich mit rechten Posts im Netz und in den Sozialen Medien um, ohne FakeNews ungewollt zu verbreiten und ihnen Reichweite zu geben?“ Und teilt die Motive natürlich auch unternehmensweit über digitale Kanäle.

 
16. Regt zum kritischen Widerspruch an

Für die analoge Welt gilt: Liefert Ideen, an welchen Stellen Gegenrede etwas bringt und in welcher Form. Einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zufolge haben 8% der Deutschen ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild, sind also mit Argumenten gar nicht mehr erreichbar. Eine deutlich größere Gruppe, etwa 20%, bewegt sich im Graubereich, ist nicht klar demokratisch orientiert und zeigt sich empfänglich für rassistische Parolen. „Genau bei diesen Menschen lohne es sich, mit Worten für demokratische Überzeugungen einzustehen, sagt Pia Lamberty." Konkret bedeutet das: wir können und müssen mit jedem 5. Menschen ins Gespräch gehen und versuchen. Das erfordert viel Zeit und viel Geduld, aber ist gleichzeitig auch eine riesige Chance. Auch potenzielle Protestwähler*innen sind laut Nicole Broder, Pädagogische Leitung der Bildungsstätte Anne Frank, noch erreichbar. Ihnen aufzuzeigen, welches Weltbild die AfD hat und dass sie demokratische Rechte beschneiden möchte, ist durchaus erfolgversprechend. Vermittelt Euren Kolleg*innen daher auch unbedingt, wie über ein echtes Interesse am Gegenüber und seinen Beweggründen sowie nicht belehrenden, aber bestimmten Erklärungen und einer geduldigen Haltung ein Lernprozess angestoßen werden kann.

Mit dem Wissen um die Wirkung sozialer Normen ist es aber genauso wichtig, Widerspruch klar zu machen statt zu schweigen, auch wenn möglicherweise schon klar ist, dass die Person nicht mit Argumenten erreichbar ist. Ein antisemitisches Narrativ ins Gespräch in der Kantine eingeflochten, das N-Wort im Teams-Call, nur als Illustration dafür, was man „früher“ noch sagen durfte - so bekommen verletzende und menschenverachtende Äußerungen eine Plattform. "Hier gilt es, argumentativ dazwischenzugehen, zurückzufragen: Weißt du, was das N-Wort eigentlich bedeutet? Hast du eine Ahnung, was das bei Betroffenen auslöst?", sagt Pia Lamberty. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, man könnte immer alles sagen, nur weil der Rest schweigt ...

Es geht aber nicht nur darum, demokratiefeindliche oder rassistische Positionen zu verurteilen. Es ist mindestens auch genauso wichtig, diejenigen in die Schranken zu weisen, die sie hoffähig machen – auch wenn der Ursprung aus dem demokratischen Spektrum kommt. Populistische Aussagen dürfen nicht unwidersprochen bleiben, denn sie haben erst die Grenzen des Sagbaren verschoben. Widersprecht daher auch den Aussagen von rechts-konservativen Politiker*innen, die meinen, mit populistischen Aussagen könnten Sie der AfD Wähler*innen entziehen. Dass diese Strategie aufgeht, wurde jedoch schon längst widerlegt.

Gebt für diese drei unterschiedlichen Strategien doch ein MiniBooklet heraus, verteilt es an alle Abteilungen im Unternehmen, und beantwortet darin die wichtigsten Fragen:

  • Wie argumentiere ich erfolgversprechend bei Menschen, die noch kein geschlossenes Weltbild haben?
  • Wie reagiere ich auf rechtsextreme, demokratiefeindliche und rassistsische Äußerungen in meinem beruflichen und privaten Umfeld?
  • Wie weise ich Menschen aus dem demokratischen Spektrum, die mit populistischen Äußerungen, dennoch die Grenzen des Sagbaren verschieben, auf ihre Verantwortungslosigkeit hin?

 
17. Stärkt Eure Führungskräfte

Wie bei allen Themen sind Führungskräfte hier besonders in der Verantwortung.

„Eigentum und Führungsverantwortung verpflichten – auch für einen Einsatz gegen Populismus und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Sie müssen Haltung zeigen und Vorbilder sein, also stärkt und ermutigt sie unbedingt. Und ihnen muss absolut bewusst sein, dass das Unternehmen antidemokratische Haltungen nicht duldet. Dafür braucht es klare Botschaften nach innen – von ganz oben, mit Überzeugung vorgetragen, flankiert von Code of Conducts und Leitlinien, was von Mitarbeitenden und Führungskräften erwartete wird und welche Äußerungen sowie welches Verhalten nicht geduldet und wie sanktioniert werden.

Gleichzeitig gilt es vor allem, mit den Mitarbeitenden in den Dialog zu gehen, und der ist vermutlich besonders herausfordernd, wenn man beispielsweise bemerkt, dass im eigenen Team rechtsextreme oder populistische Meinungen vorherrschen.

Versorgt Eure Führungskräfte mit umfassenden Informationen und Materialien. Weist sie darauf hin, dass sie bei Euch eine Anlaufstelle haben, wenn sie mit ihren Teams zum Thema Demokratieförderung arbeiten wollen. Und geht auch mit ihnen in den Dialog, um genau die Unterstützung liefern zu können, die ihnen am meisten weiterhilft. Führungskräfte sind hier – wie beim Thema Diversity auch – Eure wichtigsten Verbündeten.

 
18. Schafft Euch einen Informationsvorsprung

Bildet Euch weiter, denn für herausfordernde Diskussionen braucht es fundiertes Wissen. Bereitet Euch vor auf Argumente, die Euch glauben lassen wollen, dass sich Unternehmen politisch zurückhalten sollten, weil sich etwa angeblich der gesellschaftliche Wind drehe. Lernt zu erläutern, warum Toleranz das Dulden von Intoleranz nicht beinhaltet und weshalb sich gerade jetzt auch Unternehmen für Demokratie und Diversity aussprechen müssen.

Bleibt daher auf dem Laufenden über die verfassungsrechtlichen Diskurse rund um ein mögliches Verbotsverfahren. Abonniert den Newsletter des Verfassungsblogs, lasst Euch von buzzard ein breites Spektrum von Perspektiven liefern oder lest schlicht eine gute Wochenzeitung für mehr Analyse und Zusammenhänge. Das Thema Diversity Management ist fachlich schon breit genug, aber jetzt braucht Ihr noch weitere politikwissenschaftliche, soziologische, sozial-psychologische, geschichtliche und verfassungsrechtliche Blickwinkel dazu.

Als ob das nicht schon genug wäre, solltet Ihr aber auch zu den weiteren Vorhaben von AfD & Co. informiert sein und ein Gefühl dafür bekommen, wie und was in diesen Kreisen diskutiert wird. Ein erster guter Augenöffner ist die Doku „Wir waren in der AfD“ über ehemalige Parteimitglieder, die eine erschreckende Innensicht liefert. Folgt Correctiv und Volksverpetzer auf den sozialen Medien, um die neuesten Fake-News zu kennen, noch bevor sie Euch im Alltag begegnen, schaut hin und wieder auf den Kanälen der Recherchegruppe DieInsider vorbei (regelmäßig erfordert starke Nerven) oder lest auch mal die Kommentarspalten in populistischen oder einschlägig rechtsextremen Medien.

Konfrontiert Euch mit der unschönen Realität, denn nur dann seid Ihr in der Lage, selbst gut aufzuklären und ohne großes Überraschungsmoment auf Entwicklungen zu reagieren. Seht es als Teil Eurer Stellenbeschreibung als Diversity Manager*innen: Fundierte Kenntnis von rechtsextremen Positionen und Strategien mit dem Ziel, diese aushebeln zu können, gehört nun leider auch dazu.

Nutzt Informationen, um vorbereitet zu sein – z. B. wenn nach der Landtagswahl in Thüringen die CDU oder BSW mit der AfD doch gemeinsame Sache machen wollen. Dann gilt es schnell zu reagieren, Protest zu organisieren, wieder laut zu werden. Ein Notfallplan in der Hinterhand kann da nicht schaden, um mit klarem Kopf die richtigen Entscheidungen treffen zu können.

 
19. Öffnet Türen zurück in die Welt

Was wir bei allen Informations- und Aufklärungsversuchen, dem Wirken der Sozialen Norm, den Statements und den Appellen an Haltung nicht vergessen dürfen: Radikalisierung geschieht selten aus kognitiven Überzeugungen heraus, sondern meist aus einem emotionalen oder moralischen Bedürfnis. Und auch nur über diese Brücke können wir Menschen wieder zurückholen, die nach rechts abdriften oder rechtsextremen Ideologien verfallen sind. Dafür braucht es eine Beziehungsebene, auf der man aufbauen kann, Geduld, Gesprächstechniken, die nicht werten und argumentativ überzeugen wollen, sondern zuhörend Verständnis anstreben, Emotionen spiegeln und Gemeinsamkeiten suchen, aber gleichzeitig auch Grenzen setzen und Respekt für die eigenen Perspektiven einfordern. Das ist in den seltensten Fällen mit komplett fremden Menschen möglich. Aber mit Menschen aus der eigenen Familie, mit Freund*innen, Kolleg*innen.

Der Abschied von Überzeugungen ist ist schmerzhaft und es braucht eine gute, verständnisvolle Begleitung, um diese Leerstellen wieder zu füllen. Dana Buchzik vermittelt in ihrem Ratgeber „Warum wir Familie und Freunde an radikale Ideologien verlieren – und wie wir sie zurückholen können“, wie eine solche Begleitung aussehen kann. Und welche Haltung man selbst dafür braucht. Nehmt Euch also dieser Aufgabe an – im eigenen Unternehmen und außerhalb. Und unterstützt Andere mit Eurem Wissen dazu und Eurer Erfahrung.

 
20. Vernetzt Euch selbst

Diversity Management als Einzelkämpfer*in ist schwer genug. Gleichzeitig das komplexe Thema Demokratieförderung zu bedienen, noch schwerer. Im Unterschied zu originären Diversity Management Strategien braucht es hier jedoch nur in wenigen Fällen ganz unternehmensindividuell ausgestaltete Aktionen. Also vernetzt Euch, schließt Euch zusammen mit anderen Diversity Manager*innen, geht arbeitsteilig vor, tauscht Materialien, Informationen und Erfahrungen aus und werdet vielleicht auch im Zusammenschluss mehrerer Organisationen gemeinsam aktiv. #DiversityManager*innenFürDieDemokratie :-)

 
21. Schafft Sichtbarkeit für Betroffene

Schon vor der Veröffentlichung der Deportationspläne im Zuge der Correctiv-Recherche hatten Posts von BIPoC in den Sozialen Medien immer wieder für Erschütterung bei Weißen geführt: De Posts zeigten Koffer, die viele bereits gepackt im Schrank stehen haben, um schnell das Land verlassen zu können, sollte sich die politische Lage für sie verschlechtern. Wer sich nicht täglich mit Rassismus und Diskriminierung auseinandersetzen muss, hat schlichtweg kein Gefühl dafür, wie massiv diese Angst sein kann und was es mit Menschen macht, wenn ihre Existenz nicht nur von einer Minderheit in Frage gestellt wird, sondern wenn gleichzeitig die Mehrheit gleichgültig bleibt und den Ernst der Lage verkennt.

Aber genau auf dieses “Das geht uns doch nichts an” setzen Rechtsextreme und die AfD. Nutzt Eure Position und Eure Reichweite, um denjenigen Gehör und Sichtbarkeit zu verschaffen, die Angst vor den Plänen der AfD haben und von ihrer Politik betroffen wären. Denn die „bürgerliche Mitte“ hat oft noch nicht verstanden, wie sich die Lebensrealität für viele Menschen verändern würde – weder hinsichtlich des schieren Ausmaßes, noch wie eine Vertreibung aus Deutschland dann aussehen könnte. Die AfD spricht ganz offen von bis zu 25 Millionen (!!!), auf die man „verzichten“ könnte. Das ist mehr als alle Einwohner*innen von Bayern und Baden-Württemberg zusammengenommen! Konkret umfasst dies laut Correctiv drei Gruppen: Asylbewerber*innen, Ausländer*innen mit Bleiberecht und so genannte „nicht assimilierte Staatsbürger*innen“ – was auch immer das heißen soll. Ein Vehikel dabei soll der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft sein. Und darüber hinaus sollen Menschen mit der vermeintlich falschen Hautfarbe oder Herkunft einfach auch aus Regionen oder Deutschland „rausgeekelt und -gemobbt“ werden.

Gebt Betroffenen aus diesen Gruppen (und weiteren, so wie der LGBTIQA*-Community oder Menschen mit Behinderung) ein Gesicht, interviewt sie, fragt sie, was die aktuellen politischen Aussichten mit ihnen machen und was sie sich von ihren Kolleg*innen unterstützend wünschen würden. Vielleicht weckt dies etwas Empathie bei denjenigen, für die die Bedrohung immer noch zu abstrakt und weit weg ist und führt über diesen Weg zu einem Umdenken.

 
22. Werbt für's Wählen gehen

Die Demokratie zu schützen ist eigentlich ganz einfach. Letztlich braucht es dafür keine 10 Minuten Zeiteinsatz, wenn man sich für die Briefwahl entscheidet. Also ist der ganze Aufwand vielleicht gar nicht gerechtfertigt, wenn sich am Ende ohnehin alles an der Wahlurne kristallisiert?

Vielen Menschen ist jedoch leider nicht bewusst, dass eine nicht abgegebene Stimme für die Demokratie genauso schädlich ist, wie das Wählen demokratiefeindlicher Parteien. Die Unzufriedenheit mit der aktuellen politischen Lage kann eben neben der Protestwahl auch dazu führen, der Wahlurne fernzubleiben.

Die Wahlbeteiligung in Deutschland sinkt seit den 70er Jahren. Damals lag die Beteiligung in der BRD noch bei 90%. Bei der letzten Bundestagswahl 2021 blieben 14,2 Millionen Wahlberechtigte zu Hause – das ist 1 von 4 Personen!!! Die Wahlbeteiligung betrug damit nur noch 76,6%. Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen lagen mit 73,3% bzw. 65,6% noch weiter darunter.

Doch je weniger Menschen wählen, desto mehr Gewicht hat eine Stimme für die AfD. Eine ganz einfache Rechnung verdeutlicht das vielleicht. 5 Personen stellen die wahlberechtigte Bevölkerung dar. 1 Person wählt SPD, 1 Person CDU und 1 Person AfD. 2 wählen nicht. Damit hat die SPD 33% der Stimmen, die CDU hat 33% und die AfD ebenfalls. Wählen die beiden Nichtwähler*innen jedoch auch jeweils SPD und CDU, haben diese jeweils 40% der Stimmen und die AfD nur noch 20%.

Vielleicht druckt Ihr diese Rechnung auf Postkarten und Plakate, bittet Euer Top-Management zu einem persönlichen Statement, das zu Wahl aufruft, feiert im Vorfeld der Wahl ein Fest zu Ehren der Demokratie im Unternehmen – was auch immer Euch einfällt! Werdet jedoch nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, dass jede abgegebene Stimme IMMER einen Einfluss hat.


Zum Abschluss

Die Politik- und Sozialwissenschaftlerin Naika Foroutan hat im Kulturmagazin "ttt – titel, thesen, temperamente" gesagt: „Wenn es der AfD gelänge, mit 30% die stärkste Kraft zu sein, dann ist das etwas, was unaufhaltsam tatsächlich die Demokratie zur Erosion bringen kann. Jetzt geht es darum, dass das demokratische Spektrum der sogenannten schweigenden Mehrheit rauskommt und sich auch als Mehrheit beweist, und das auch über die Grenzen ihrer eigenen Positionalitäten hinweg.“

Auch wenn das alles nach sehr Anstrengung und Arbeit klingt – wir sind so unfassbar privilegiert, dass wir diese Arbeit tun dürfen! Vielleicht haben wir jedoch vergessen, dass es Demokratie nicht zum Nulltarif gibt. Dass alle Menschen in Deutschland jeden neuen Tag in Freiheit und relativer Sicherheit beginnen dürfen, scheint uns ein so selbstverständliches Geschenk, dabei klebt daran ein Preisschild, das nicht nur einfach vergessen wurde abgekratzt zu werden. Aber wenn wir wollen, dass es uns nicht weggenommen wird, müssen wir die Ärmel hochkrempeln. Oder wie es Carolin Emcke, Trägerin des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, ausdrückt:

„Eine Demokratie ist kein fertiges Ding – sondern ein unabgeschlossenes Projekt, das sich permanent erweitern und vertiefen muss. Eine Demokratie ist nichts, was wir besitzen, sondern etwas, woran wir arbeiten.“

 


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