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Learnings aus dem Alltag einer DEI-Managerin

Lisa Lamstere (dentsu Germany) im Interview

Lisa Lamstere ist DEI Managerin DACH bei dentsu Germany, Teil einer japanischen Werbeagentur, gelistet im Nikkei 225, mit ca. 1.600 Mitarbeitenden in Deutschland. Zuvor war sie unter Anderem Global Diversity Manager bei BayWa r.e. Global, International Diversity & Inclusion Consultant bei Lidl International und Project Managerin für Diversity Management an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sie lebt das Thema mit jeder Faser und aus voller Überzeugung. Einer ihrer früheren Kollegen sagt über sie: „Lisa's unwavering dedication to Diversity, Equity, and Inclusion (DEI) is not just commendable, it's inspirational.“
 


Aktuelle Aufgaben: Der Alltag einer Diversity Managerin

Liebe Lisa, ich freue mich riesig, dass Du Dir Zeit nimmst, um uns zu erzählen, wie Du Deine Rolle als DEI-Managerin lebst und was Deine Learnings aus den letzten 10 Jahren waren. Aber zum Einstieg lass uns mal in die Gegenwart schauen. Du bist seit einem halben Jahr, also noch ziemlich frisch, DEI Managerin bei dentsu Germany. Woran arbeitest du gerade?

Sehr gerne. Aktuell sind wir ja im Pride-Monat, da steht natürlich einiges an. Nächste Woche haben wir beispielsweise eine Keynote und wollen an mehreren Standorten Watch-Partys dazu anbieten, also dass sich Kolleg*innen im Büro treffen, man die Keynote zusammen anhört, darüber spricht und einfach zusammenkommt. Bei dentsu in der DACH Region arbeiten sehr viele Mitarbeitende eher von zu Hause aus. Somit kommen auch nicht so viele Leute ins Büro, aber wir wollen trotzdem den Zusammenhalt stärken. Auch an verschiedenen Standorten in, der Schweiz und Deutschland und aus unserer Nachbarregion sind Kolleg*innen in Polen, Bulgarien und Rumänien mit am Start. 

Ansonsten mache ich gerade viel Sensibilisierung. Ich bin ja erst relativ neu bei dentsu Germany und mir ist wichtig, dass die Leute verstehen, was DE&I überhaupt ist, was es mit ihnen selbst zu tun hat und wie sie das auch für ihren eigenen Job nutzen können oder was es für ihre Rolle bedeutet.
 


„Selbst wenn man 20 DEI Manager*innen in einem Unternehmen hätte, geht es nicht ohne die Mitarbeitenden und die Führungskräfte.“



Denn selbst wenn man 20 DEI Manager*innen in einem Unternehmen hätte, geht es nicht ohne die Mitarbeitenden und die Führungskräfte. Somit ist mein erster Schritt meistens erst einmal, wenn ich neu in einem Unternehmen einsteige, zu sensibilisieren und die Leute zu befähigen, mit dem Thema bewusst umzugehen und ein Verständnis dafür zu bekommen, damit sie es dann mit in die eigene Arbeit reinnehmen.

 

Sensibilisierung als Schlüssel: Menschen für DEI gewinnen 

Was sind denn nach Deiner Erfahrung die Erfolgsfaktoren, damit diese Sensibilisierung gelingt und Menschen erkennen, was Diversity mit einem selbst zu tun hat?

Ich glaube unter Anderem auch, ein gutes Training durchzuführen. Ich will mich nicht selbst loben, aber ich kriege sehr positives Feedback dazu. Man könnte natürlich auch ein E-Learning zu dem Thema machen, aber damit vermittle ich nur Wissen. Wenn Menschen schon Interesse daran haben, dann passt das auch, dann können sie das alles nachlesen. Mir ist aber wichtig, dass ich mit Menschen Brücken bilden kann, dass ich ihnen klar mache, was DEI ist und sie mit einem guten Gefühl aus dem Training rausgehen.
 


„Mir ist wichtig, dass ich mit Menschen Brücken bauen kann, dass ich ihnen klar mache, was DEI ist und sie mit einem guten Gefühl aus dem Training rausgehen.“



Das heißt, wenn mir die Leute eine Stunde schenken, in der sie an einem Training mit mir teilnehmen, hoffe ich natürlich, dass sie darin ein bisschen Selbstreflexion erfahren und gleichzeitig mit einem guten Gefühl rausgehen und wissen: „Ich darf auch Fehler machen. DEI betrifft mich genauso wie jede andere Person auf dieser Welt und wir haben hier alle unseren Platz und können füreinander Allies sein, egal in welchem Kontext.“ Wir sollten uns auch nicht für unsere Privilegien schämen, sondern ganz im Gegenteil: Wenn wir uns diese bewusst gemacht haben, können wir damit natürlich umso mehr erreichen.

Somit versuche ich, weder mit erhobenem Zeigefinger noch mit „Ihr müsst jetzt das und das“ heranzugehen, sondern ich gebe Anhaltspunkte, um einzuordnen, was DEI ist.
Auch in meinen früheren Unternehmen sind die Trainings sehr gut ankommen. Sicherlich ist das auch nur ein erster Schritt, aber wenn Menschen das allererste Mal im Unternehmen mit dem Thema in Berührung kommen, ist es wichtig, dass sie sowohl mit mir gut klarkommen als auch natürlich mit dem Thema selbst.

Ich versuche auch in meiner Arbeit und täglicher Zusammenarbeit immer darauf zu achten - da ich die Einzige bin, die dieses Thema in der DACH-Region betreut – dass die Kolleg*innen ein gutes Gefühl mit mir haben, da mein Name mit DEI verbunden ist und das wiederum hoffentlich positiv konnotiert ist. Denn wenn man die einzige Person ist, die den Hut dafür aufhat, lassen sich Person und Thema oft gar nicht trennen. Daher ist es wichtig, dass meine Kolleg*innen nicht schon ein schlechtes Gefühl mit mir als Person haben, wäre ich etwa sehr direktiv unterwegs oder wäre ein zusätzlicher Stressfaktor für sie, beschädigt das gleichzeitig auch das Thema.

Und so versuche ich, nach bestem Wissen und Gewissen, niemandem auf die Füße zu treten, aber gleichzeitig viele Brücken zu bauen und einen offenen Raum zu gestalten, in dem alle sich austauschen können.


Viele DEI-Manager*innen würden jetzt wahrscheinlich die Frage stellen: Ist das Training verpflichtend oder freiwillig?

Es ist nicht verpflichtend. Die Abstimmung mit dem Betriebsrat dazu würde sicher etwas länger dauern, so dass ich damit jetzt erst einmal mit freiwilligen Trainings gestartet habe. Ich würde es aber total gerne irgendwann verpflichtend machen, weil ich der Meinung bin, dass es ein Mehrwert für alle ist.

Wir arbeiten gerade dran, dass die New Joiners das Training vielleicht im Rahmen des Onboardings durchlaufen müssen. Und mit unseren Azubis habe ich eine komplette DE&I Projektwoche gemacht, bei der sie Projekte für den Deutschen Diversity Tag erarbeitet haben. Das heißt, ich suche mir die Gruppen, an die ich einfacher rankomme oder wo ich das Gefühl habe, dass das Thema für sie nochmal einen ganz anderen Zugang oder Wert hat.

Und es ist ja auch gut, wenn nicht immer alles von mir kommt. Es wäre schlimm, wenn ich glauben würde, ich wüsste alles zu dem Thema. Ich habe auch nur eine singuläre Perspektive und versuche eben, durch verschiedenste Zielgruppen oder Kolleg*innen, mit denen ich zusammenarbeite, das Thema breiter aufzustellen.

 

Und hättest du eine Idee, wie Du diejenigen adressieren kannst, die noch etwas zurückhaltender sind und nicht freiwillig in ein Training kommen? Oder hast Du das bisher noch nicht geplant?

Doch, doch. Ich gebe zum Beispiel auch Trainings für Teams. Ich habe das Thema DEI auch schon bei unseren großen Führungskräfte-Meetings vorgestellt und gesagt: „Hey, es gibt das monatliche Training, das ihr besuchen könnt, aber ihr könnt mich auch für eure kompletten Teams einladen.“
 


„Wenn eine Führungskraft sagt: ‚Ich mache das mit meinem ganzen Team‘, sind 90% des Teams auch anwesend. So erreicht man auch die Kolleg*innen, die nicht von sich aus bei dem Thema dabei wären.“



Das funktioniert deutlich besser, denn wenn eine Führungskraft sagt: „Ja, ich mache das mit meinem ganzen Team.“, sind 90% des Teams auch anwesend. So erreicht man auch die Kolleg*innen, die nicht von sich aus bei dem Thema dabei wären.

Dann ist auch die Teamdynamik anders. In diesen Fällen plane ich etwas mehr Zeit ein als nur eine Stunde, weil mir wichtig ist, dass genug Zeit und Raum zum Austauschen da sind. Denn es geht ja nicht nur um meine Perspektive oder um meine Erfahrung bei dem Thema, sondern wir haben alle etwas, was wir dazu beitragen können.

 

Unternehmenskultur und internationale Einflüsse: Diversity bei dentsu

Welche Themen prägen die Trainings bei euch? Ich stelle mir die Unternehmenskultur von dentsu interessant vor, wahrscheinlich auch international geprägt?

Dentsu hat die mit Abstand offenste, respektvollste, individualistisch offenste Kultur, in der ich je war. Ich habe jetzt schon einige Unternehmen von innen gesehen und bei uns gibt es zum Beispiel - das mag eine winzige Kleinigkeit sein - nicht mal einen Dresscode. Stattdessen ist die Info: Komm wie du möchtest. Du wirst hier Leute im Anzug sehen, du wirst Leute sehen in Sneakers und Hoodie - sei einfach nur gepflegt, weil ab und zu haben wir Kundschaft da. Aber das war es auch. Es geht darum, dass ich mich nicht als vermeintliche Frau in ein Kostüm stecken müsste, weil das zu irgendeinem Bild passt. 

Wir haben natürlich relativ viele junge Kolleg*innen, aber auch ganz viele, die schon seit 20, 30 Jahren im Unternehmen sind. Und die Medienwelt ist sehr schnell, immer auf Zack und möglichst am Zahn der Zeit. Das macht mir die Arbeit viel einfacher als in anderen Kontexten.


Das heißt, deine Kolleg*innen sind eher offen und interessiert am Thema DEI?

Natürlich nicht alle. Es gibt auch einfach viel Zeitdruck in der Branche. Wenn du nur für deine Kund*innen arbeitest und du nicht so viel Zeit für andere Dinge hast, bleiben die auf der Strecke. 
Aber per se sind die meisten sehr, sehr offen und haben auch schon ein gutes Gefühl für das Thema. Deswegen ist mir aber umso wichtiger, es ihnen mit Handreichungen und Tipps und Tricks für ihren Arbeitsbereich ein Stück einfacher zu machen.


Ihr seid ja ein international verflochtenes Unternehmen, in denen das Thema DEI aktuell oft auch kritischer gesehen wird. Wie hat sich das in den letzten Monaten entwickelt und wie ist der Diskurs bei euren Führungskräften dazu? Wie gehst du damit um?

Der Diskurs mit meinen regionalen Führungskräften ist immer noch sehr, sehr positiv. Ich glaube, die wenigsten Führungskräfte bei uns sehen das Thema als so „Business-kritisch-negativ“ an, wie es in den USA gerade gepusht wird. Die meisten, mit denen ich im DACH-Raum zu tun habe, sehen eher immer noch den positiven Effekt von DE&I. Mir hat daher noch niemand DEI-Aktivitäten untersagt. Im Gegenteil. Einige Führungskräfte haben die Haltung: „Jetzt erst recht und gut, dass du da bist und wir dazu etwas machen.“ Das höre ich auch viel von den Mitarbeitenden. 
Was allerdings nur noch schwer möglich ist, sind ganz offizielle Statements, da ist man als internationales Unternehmen doch etwas vorsichtiger geworden. Aber nach innen arbeiten wir daran, dass unsere Mitarbeitenden sich wirklich wohlfühlen und man merkt, dass uns das Thema wichtig ist.


Das heißt, du kannst deine Rolle so ausfüllen, so wie du dir das vorstellst?

Absolut. Ich habe ein internes Interview zu mir und meiner Rolle als neue DEI-Managerin gegeben, das wir sogar auf unseren regionalen Social-Media-Plattformen ausgespielt haben. Das war dann gleichzeitig das erste offizielle Zeichen nach innen, dass das Thema für dentsu DACH bedeutsam ist.


Ist deine Rolle eigentlich neu geschaffen worden?

Tatsächlich bin ich eine Elternzeitvertretung, aber die Kollegin war vorher schon ein paar Monate länger nicht da, das hat sich also nicht überlappt mit meiner Startzeit. Somit war ein gewisses Vakuum da und ich bringe auch zusätzliche Expertise mit, die so vorher noch nicht im Unternehmen vorhanden war. 

 

Globale Strategie, lokale Umsetzung: DEI-Management im internationalen Kontext

Hast du eine DEI-Roadmap oder kannst du das Thema strategisch andocken?  Wie kannst Du das konkret gestalten?

Das Schöne ist - und das ist auch das erste Mal -, dass ich in einem Unternehmen bin, das sogar eine globale Struktur für DE&I hat. Das heißt, wir haben in den vier Weltregionen, in denen dentsu präsent ist, jeweils Global DE&I-Heads, zum Beispiel für EMEA. Das ist meine direkte Chefin. Aber auch für Japan, dem Hauptsitz von dentsu, für APAC und AMER Und darunter sitzen jeweils dann nochmal Manager*innen für entweder ein bestimmtes Land, je nachdem, wie groß der Markt ist, oder für eine gewisse Region, wie zum Beispiel bei mir in meiner DACH-Rolle.
Das heißt, es gibt eine globale DE&I-Hierarchie mit einer globalen DE&I-Strategie. Die wird regional runtergebrochen und gegebenenfalls nochmal lokal angepasst.. Das kannte ich bisher noch aus keiner anderen Firma.


Das heißt, die übergeordnete internationale Strategie kommt aus Japan?

Jein. Japan ist sehr losgelöst, weil es einfach ein komplett anderer Markt ist. Das kommt eher auf EMEA-Level. Aber die Schwerpunkte, die wir in der DACH-Region setzen, sind ganz andere als beispielsweise in Südafrika.

Die Strategie ist eher auf einem etwas höheren Level und definiert vier Säulen: Transparency & Accountability, Representation & Sponsorship, Education & Continuous Learning und Client &
Community Impact. Wir erarbeiten dann, wie wir diese vier Säulen bei uns umsetzen können. Es wird also eine gewisse Richtung vorgegeben und je Markt oder Land schauen wir, was Sinn macht und was wo möglich ist. 


Wie eng sind deine Vorgaben? Hast du konkrete Zahlen oder Ziele, die Du erreichen musst oder ist das eher qualitativ und gibt nur die Richtung vor?

Es gibt gar nicht so viele Kennzahlen. Klassisch sind natürlich Kennzahlen zum Thema Gender. Auch aus der EU kommen viele Regelungen, die uns als Firma direkt betreffen oder unsere Kund*innen. Im Kontext Accessibility Act bietet unser Unternehmen zum Beispiel auch selbst IT-Lösungen an, um Webseiten und Webshops barrierefrei zu gestalten. Das heißt, das ist ein ganz klarer Business Case.

Gleichzeitig kommt auch mit dem Pay Transparency Act und anderen Themen in Bezug auf die Gleichbehandlung der Geschlechter neue Anforderungen auf uns als Firma zu, auf die wir natürlich weltweit oder zumindest in der EU gut aufgestellt sein wollen und reagieren müssen. Hier sind zwar vor allem die Kolleg*innen aus dem Compensation & Benefits-Bereich gefragt, aber natürlich spielt das meiner Arbeit in die Karten und hilft für den DE&I-Gedanken genauso.

Ansonsten bin ich relativ vogelfrei. Ich habe die Hauptverantwortung für das Thema und die nehme ich auch so wahr. Ich spreche mich natürlich mit meinen Führungskräften ab und bekomme da Support, aber bisher konnte ich sehr frei agieren. Ich versuche also, es nach bestem Wissen und Gewissen in die nach meinem Gefühl passende Richtung zu bekommen.


Das heißt, du hast Dir nicht nochmal selbst eine Art strategisches Framework zurechtgelegt?

Ich glaube, ein paar Grundpfeiler gehört zu DE&I immer dazu, z. B. Sensibilisierung. Zweitens muss ich mir die Prozesse im Unternehmen ansehen, egal ob ich neu in einem Unternehmen beginne oder schon länger dabei bin. Eigentlich müsste ich immer jeden Prozess sehen. Wir sind ja das „sexierere“ Pendant zum Datenschutz - der muss überall mitgedacht werden. Und DE&I sollte das im besten Fall auch. Auch die Führungskräfte muss ich natürlich mit einbinden.

Das heißt, ich habe grobe Pfeiler für mich, aber muss natürlich erst einmal sehen, wie es konkret in dem Unternehmen aussieht: Welche Pfeiler sind schon gut gefüllt, welche nicht. Es kommt ja auch immer darauf an, wie die strategische Ausrichtung der Firma insgesamt ist, um dann darauf aufbauen zu können.
 


„Mir sind am Anfang die Quick Wins lieber, damit ich die Menschen schnell erreiche, statt schon an einer ausgefeilten Strategie zu arbeiten.“



Das habe ich jetzt in den letzten knapp sechs Monaten erst einmal versucht herauszubekommen: Wo steht die Firma, wo kann ich ansetzen? Hier sind mir aber erst mal die Quick Wins lieber und dass ich die Menschen schnell erreiche, statt schon an einer ausgefeilten Strategie zu arbeiten. Die steht auf dem Papier und man sieht sie zunächst nicht. Mir ist aber wichtig, dass das Thema zu Beginn eine positive Resonanz in möglichst vielen Bereichen bekommt.


Starke Strukturen, modernes Mindset und engagierte Mitstreiter*innen als Erfolgsfaktoren

Wie seid ihr denn vernetzt? Also wie intensiv ist Deine Zusammenarbeit mit den anderen internationalen DEI-Manager*innen?

Wir haben ja alle unsere EMEA-Chefin als Lead und dann noch jeweils eine Person im regionalen Markt als Führungskraft. Ich habe also zwei Vorgesetzte. Wir haben alle zwei Wochen einen einstündigen Jour fixe mit allen DEI-Kolleg*nnen aus der EMEA-Region und dann habe ich auch noch mit einer Person aus einer anderen Region jede Woche einen Termin, weil wir demnächst gemerged werden. Daher wollen wir sicherstellen, dass wir in eine ähnliche Richtung gehen und Synergien schaffen sowie Doppelarbeit vermeiden.

 

Das klingt nach ganz viel Einblick in andere Themen, die in Deutschland oder im DACH-Raum vielleicht nicht so relevant sind. Gab es Themen, bei denen Du dachtest: Das ist ja interessant, das haben wir hier noch nicht auf dem Schirm oder: Das ist ein spannendes Thema, das wir uns mal anschauen sollten?

Am spannendsten ist für mich bei dentsu zu sehen, wie viel man auch mit den eigenen Kund*innen in Sachen DEI machen kann. Da gibt es teilweise in DACH schon, beispielsweise wie gesagt das Thema Accessibility, das wir sogar als Dienstleistung anbieten. Aber wir haben auch Kundschaft, die sich selbst mit spezifischen Diversity Dimensionen auseinandersetzt.

Und schließlich - das haben wir in der DACH-Region noch nicht gemacht, aber beispielsweise in UK oder Italien - primär zu Pride die Kampagne „dentsu and Friends“. Wir haben unsere Kund*innen gefragt, ob sie mit ihrem Logo bei einer Pride-Kampagne dabei sein möchten. Die wurde dann letztes und vorletztes Jahr gelauncht, komplett pro bono. Außerdem hat einer unserer Kunden die Kampagne als Werbeträger unterstützt. Man konnte dann also auf Billboards in UK und Italien tolle Pride- und Proud-Geschichten sehen und Logos unserer Kund*innen. Das so zu verbinden zu können ist richtig cool! So kannte ich das noch von keinem Unternehmen, in dem ich vorher gearbeitet habe.
 

Jetzt frage ich mich aber: Wenn Du erst die eigentliche themenspezifische Expertise mitgebracht hast - wie kommt es dann, dass dentsu Germany / DACH in Sachen DEI trotzdem schon so reif ist? Hast du dafür eine Erklärung?

Zum einen, weil ja schon eine Grundstruktur da ist, egal ob das bereits jemand in Deutschland oder in der DACH-Region offiziell macht oder nicht. Es gab schon immer Personen, die versucht haben, EMEA-weit Projekte umzusetzen und Kolleg*innen aus anderen Ländern dazuzuholen.

Zum anderen ist die Medienkommunikationsbranche immer am Zahn der Zeit. Manchmal zwar sehr stereotyp, das muss man ganz klar sagen. Ich bin ab und zu in Terminen dabei, wenn unsere Lieferant*innen Inhalte vorstellen, wie neue Filme, in denen Werbung platziert werden kann. Dann wird zum Beispiel auch erklärt, dass das eine Format vor allem Männer zwischen 30 und 40 anspricht und das andere die Frauen und ich denke mir jedes Mal: Ok, dann bin ich wohl der 40-jährige Mann und nicht die 20-jährige Frau. Die Zielgruppendefinition ist schon sehr stereotyp und „mainstreamorientiert“, wenn es darum geht, die meisten Menschen mit dem geringsten Aufwand zu erreichen.

Es ist aber trotzdem unfassbar spannend, weil auch da natürlich gefragt wird: Was kann man noch machen? Wie können wir uns verbessern? Wie können wir Kund*innen noch gezielter ansprechen? Ich muss meinen Kolleg*innen nicht sagen, dass ich unterschiedliche Mittel und Wege brauche, um Menschen zu erreichen. Das verstehen die ohnehin. Ich muss nicht bei Null anfangen und das macht es deutlich einfacher.  

Zum Dritten gibt es bei dentsu Germany und im DACH Raum sehr tolle Einzelpersonen, die unglaublich engagiert sind und mehr machen möchten, auch wenn sie gar nicht im Diversity Management arbeiten. Aber DEI ist ihnen persönlich extrem wichtig und sie versuchen, sich einzubringen. Sei es in ERGs oder indem sie bei Projekten dabei sind oder auch einfach auf Veränderungsbedarf hinweisen. Wir haben hier durchaus eine Kultur, wo die Menschen zum Glück den Mund aufmachen und sich melden.


Und dadurch, dass du sichtbar bist, finden die auch zu dir?

Absolut. Es hat nicht lange gedauert, bis ich die ersten Anfragen bekommen habe, beispielsweise aus dem Business-Kontext: „Wir müssen eine Umfrage als Lieferant*innen ausfüllen. Was können wir zu DE&I anbieten?“  Denn wir haben natürlich auch Kund*innen, die von uns auch wissen möchten, was wir zu DE&I und Sustainability machen.

Ich war völlig geflasht, wie schnell Anfragen direkt zu mir kamen. Und so soll das ja auch sein. Ich möchte sichtbar sein, das ist wichtig. Deswegen ist es eben besonders wichtig, weil das Thema so sehr mit mir verknüpft ist, dass ich in meinem persönlichen Auftreten als Lisa Lamstere keine Scherben hinterlasse, wenn ich irgendwo neu dazukomme oder mit Kolleg*innen zu anderen Themen spreche. Sei es nur zu der Frage, wenn ich ein Event organisiere, was ich dann bei Finance berücksichtigen muss, damit meine Finance-Kolleg*innen nicht schon negativ behaftet mit mir zusammenarbeiten.

 


„Wenn man für ein Thema komplett zuständig ist, wird man damit auch als Person selbst zu 100% in Verbindung gebracht. Und wenn ich mich dann als Person daneben benehme, leidet auch das Thema.“



Ich glaube, das ist ein Punkt, den wir alle immer beherzigen müssen. Natürlich ist das schwierig und wir machen Fehler, aber der Ton macht die Musik. Meine Kolleg*innen waren bisher immer sehr happy, dass ich eher dreimal nachfrage, statt direkt zu machen ohne mir mögliche Konsequenzen zu überlegen. Ich glaube, das haben viele nicht so auf dem Schirm: Wenn man für ein Thema komplett zuständig ist, wird man damit auch als Person selbst zu 100 % in Verbindung gebracht. Und wenn ich mich dann als Person daneben benehme, leidet auch das Thema.


DEI-Manager*innen brauchen Haltung, damit es funktioniert

Jetzt weiß ich ja, dass du schon lange dieses Thema machst und verschiedene Stationen durchlaufen hast. Es klingt ein bisschen so, als seien das bisher die besten Voraussetzungen, die Du als DEI-Managerin hattest?

Definitiv mit die besten, die ich bisher erlebt habe. Wobei auch dazu kommt, dass ich das jetzt schon seit zehn Jahren mache. Das heißt, ich habe schon bei meinem letzten Jobwechsel gemerkt, dass ich aufgrund meiner Erfahrung ab Tag eins loslegen konnte. Ich muss das Unternehmen noch gar nicht richtig kennen, da weiß ich schon, womit ich punkten und Quick Wins erzielen kann.

Ich muss als Erstes alle wichtigen Stakeholder kennenlernen. Ich muss wissen, was gibt es schon in dem Bereich? Mit wem muss ich zusammenarbeiten? Wen muss ich mir mal schnappen von der Führungsebene? Wer hat schon Bock auf das Thema? Ich würde nie zuerst auf die Leute zugehen, die von vornherein sagen: Was willst du eigentlich?

Das sind eben Erfahrungswerte, die man nach fünf bis zehn Jahren Arbeit in dem Kontext gesammelt hat. Und es ist ein unfassbar schönes Gefühl, wenn man weiß: „Auch, wenn ich das Unternehmen noch nicht zu 100 % verstanden habe, kann ich schon am ersten Tag supporten und eine positive Stimmung zum Thema vermitteln.“

Ich suche mir mittlerweile natürlich gezielt Unternehmen aus, wo ich das auch machen kann. Mein letztes Unternehmen habe ich verlassen, weil die DE&I-Efforts reduziert werden sollten und ich wollte das nicht. Ich bin dann relativ schnell gegangen, ohne zu wissen, wie schnell ich im Bereich DEI einen neuen Job finde. Ich habe aber nur meine Integrität und solange mir die Menschen glauben, dass ich für DE&I zu 1000 Prozent einstehe, funktioniert es. Wenn das aber nicht der Fall ist, wird auch meine Arbeit anders gesehen. Deswegen ist das für mich unfassbar wichtig.


Das ist aber eine interessante Frage. Es könnte ja ein Gedanke sein: Okay, da ist zwar ein Unternehmen, das kürzt im Bereich Diversity. Verlasse ich dann das sinkende Schiff oder versuche ich mit den geringeren Mitteln trotzdem das Maximale zu erreichen? Aber das ist natürlich eine ganz individuelle Entscheidung.

Da bin ich bei dir. Aber ich wusste, dass ich vorher sehr viel Rückendeckung hatte und sehr viel machen durfte und das auch getan habe. Ich bin die Letzte, die nicht auch für mehr kämpft. Aber ich wollte kein Feigenblatt sein. Ich habe immer klargemacht: Solange ich noch da bin und das Gefühl habe, das Unternehmen steht dahinter, kann ich auch zu 100 Prozent zu dem Thema stehen.

Wenn ich aber das Gefühl habe, es kippt, dann möchte ich nicht die Person sein, die den anderen sagt „Hey, DE&I ist klasse und die Firma macht so viel für euch.“ Das kann ich einfach nicht. Wie gesagt, es geht nicht darum, auch mal gegen ein paar Windmühlen zu kämpfen. Ich glaube, das gehört immer und überall dazu. Aber wenn man weiß, da bricht so langsam alles weg, dann kann ich nicht dieses Feigenblatt und Fähnchen im Wind sein, da mache ich mir meine eigene Glaubwürdigkeit wirklich kaputt.


Das verstehe ich. Und trotzdem wahrscheinlich keine einfache Entscheidung, das so für sich klar zu kriegen.

Nein, das hat mich auch schwer getroffen, weil ich knapp zwei  megatolle Jahre hatte und es richtig gut funktioniert hat. Ich durfte wahnsinnig viel machen. Ich bin der Firma und den Kolleg*innen bis heute noch sehr, sehr dankbar. Aber ich weiß auch, es war letzten Endes die richtige Entscheidung.


Herausforderungen, Rückschläge und der Umgang mit Widerstand

Gab es denn abgesehen davon besondere Herausforderungen in Deiner „DEI-Karriere“, die für dich lehrreich waren? Und wenn ja: Wie bist du damit umgegangen?

Also das Meiste, was ich mir in dem Bereich vorgenommen habe, hat irgendwie auch funktioniert. Vielleicht hatte ich einfach Glück oder meine Persönlichkeit hat gepasst. Ich kriege sehr häufig von Menschen, mit denen ich mal zusammengearbeitet habe, gesagt, dass ich das zu tausend Prozent lebe und das merken die Leute. Ich glaube, als ich nicht mehr authentisch sein konnte, musste ich für mich auch einen Schlussstrich ziehen. Das würde ich auch jederzeit wieder immer so tun.
 


„Ich habe meine letzten beiden Jobs verlassen, weil ich wusste, ich kann es mental nicht, obwohl ich das sehr gerne möchte, weil mir das Thema einfach zu wichtig ist.“



Ich habe meine letzten beiden Jobs verlassen, weil ich wusste, ich kann es mental nicht, obwohl ich das sehr gerne möchte, weil mir das Thema einfach zu wichtig ist. Ich glaube, das ist ein großer Unterschied zu anderen Bereichen. Mir ist das Thema manchmal wichtiger als ich selbst. Und das ist positiv wie negativ.

Ich kann sehr froh sein, dass meine Frau da ganz anders tickt und mein Ruhepol ist. Sie zieht mich da auch immer mal wieder raus und sagt: „Schatz, du kannst die Welt nicht alleine verändern, denk an deinen Inner Circle of Influence.“ Das habe ich für mich gelernt und lerne es immer besser.

Wenn es einen Punkt gibt, den ich verändern würde, dann wäre es, früher gewusst zu haben, dass es so einen krassen Backlash geben kann. Ich hätte von vornherein hier und da noch ein bisschen anders kommuniziert oder nochmal mehr versucht, Brücken zu bauen oder, wenn ich das Gefühl hatte, das Thema kommt so gar nicht an, überlegt, wie ich es auf eine andere Art rüberbringen kann. Aber ich glaube, das ist etwas, das mit Erfahrung kommt.

Es heißt ja auch nicht, dass ich das jetzt jedes Mal richtig mache. Es kann genauso gut sein, dass ich irgendwann wirklich einen auf den Deckel kriege, weil es überhaupt nicht ankam. Aber ich kann es eben auch nur so rüberbringen, wie ich selbst bin.

Wenn ich jetzt völlig verändern würde, wie ich die Message von DE&I rüberbringe, dann wäre ich irgendwann nicht mehr authentisch und dann würde es auch nicht funktionieren. Ich glaube, das ist der schmale Grat, den wir alle in irgendeiner Weise für uns finden müssen.


Also mein Eindruck ist, dass Du alle Aspekte sehr gut rüberbringst. Sowohl den Business Case Aspekt, als auch den Aspekt von „Diversity Management ist das Richtige, weil es das Leben von Menschen verbessert“. Ich glaube, wenn diese Balance da ist, ist auch die Chance groß, dass viele Menschen damit resonieren. Mal mehr in die eine Richtung, mal mehr in die Andere. Eine ausgewogene Darstellung ist schon sehr hilfreich. Wir gehen in unsere Trainings und Vorträge ja auch mit einem Angebot an verschiedenen Sichtweisen auf das Thema rein. Und dann sind Türen offen und man kann weitergehen in den Dialog.

Genau. Und dann auch zu wissen: Alle können wir sowieso nicht überzeugen! Es wird immer 15, 20 Prozent geben, die gegen das Thema sind oder sich überhaupt nicht bewegen. Aber wir müssen uns auf die anderen 80 Prozent konzentrieren und da die Energie reinstecken. Denn jede Person mehr, die wir aus dieser Gruppe erreichen, ist eine Person weniger, die dagegen ist. Energie reinzustecken in eine Person, die das Thema gar nicht will, da kann ich mit der gleichen Energie 30, 40 Leute erreichen, die vielleicht von dem Thema noch keine Ahnung haben, aber das Gefühl haben: „Hey, das bringt mir tatsächlich was. Das ist für mich wichtig. Für meine Kinder. Oder für mich als Führungskraft.“

Ich finde, diese Chance haben wir schon noch. Da hat sich das Mindset durchaus in den letzten 5 bis 10 Jahren positiv verändert. Ich merke gerade, dass mehr Führungskräfte sensibilisiert dazu sind und auch über Diversity mehr wissen möchten, oder zum Thema Wellbeing oder Mental Health. Weil sie als Führungskraft besser werden möchten.

Ich glaube, diese Art von Führungskraft kommt jetzt mit den neuen Generationen. Die gab es vor 20, 30 Jahren noch nicht. Ich möchte nicht alle Führungskräfte von damals schlecht reden, aber da ist schon auch ein gewisser Wertewandel bei Einzelpersonen und das können wir uns auch positiv zunutze machen.


Persönliche Learnings aus zehn Jahren Diversity Management

Wenn du auf diese zehn Jahre zurückblickst, gibt es etwas, was Du heute vielleicht doch anders machen würdest?

Ich glaube schon, dass ich auch in meiner Arbeit anders geworden bin. In meinem allerersten großen internationalen Unternehmen habe ich in Trainings DEI immer anhand von einem Fußballbeispiel erklärt. Es war eine andere Kultur, die meisten Führungskräfte waren männlich, in einem gewissen Alter, und ich habe versucht, über Fußball klar zu machen, warum Vielfalt so wichtig ist. Heute würde ich das so nicht mehr machen. In dem Kontext war das gut, aber selbst wenn du mich jetzt wieder in das gleiche Unternehmen stecken würdest, würde ich anders rangehen.

Zum einen, weil ich mich selbst verändert und dazugelernt habe und noch bessere Methoden gefunden habe, um Brücken zu bauen. Und natürlich hat sich die Welt nach fünf bis zehn Jahren auch komplett gedreht.

Heute gehe ich viel mehr auf das Thema Privilegien und Allyship ein, um auch wirklich klar zu machen, dass DE&I nicht nur bedeutet, dass wir verschiedene Dimensionen haben und vermeintliche Minderheiten stärken müssen. Stattdessen will ich den Menschen bewusst machen, dass sie auch je nach Situation in der Minderheit sein können oder gerne auch mal Allies hätten. Das bildet viel mehr Brücken als nur zu sagen: Wenn du ein Team hast von zehn Leuten, die alle gleich sind, dann wird das weniger gut performen, als wenn du fünf, sechs Leute hast, die ein bisschen unterschiedlich sind und andere Fähigkeiten mitbringen, wie zum Beispiel beim Fußball.


Verstehe, Du hast das Narrativ verändert. Glaubst du, dass es, so wie du es heute vermittelst, in dem Kontext damals auch funktioniert hätte?

Das ist der einzige Punkt, wo ich mir nicht so sicher bin. Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht kriege ich irgendwann die Chance, das nochmal zu testen im gleichen Unternehmen.
Vor sechs, sieben Jahren hätte ich nicht unbedingt damit gerechnet, dass die eigene Arbeit auch Auswirkungen in eine ganz andere Richtung hat und so ein Backlash kommt. Vielleicht, weil man sie strategisch nicht gut genug angebracht hat, die falschen Worte verwendet oder mit Argumentationslinien, die nicht gepasst haben, auf Personen zugegangen ist.

Ich glaube, das lernen wir alle gerade ein bisschen mehr. Welchen negativen Auswirkungen meine Arbeit haben kann, hatte ich vor fünf Jahren oder als ich damit angefangen habe, null auf dem Schirm.


Aber es ist ja auch nicht die Arbeit per se, die diese negativen Auswirkungen hat, sondern das Narrativ derer, die sie behindern wollen?

Aber je nachdem, wie wir selbst diese Arbeit kommuniziert haben oder das Thema DEI, kann es natürlich auch sein, dass wir damit der einen oder anderen Person auf die Füße getreten sind. Ich habe das bestimmt nicht bewusst gemacht und nicht gewollt, aber vielleicht habe ich es unbewusst bei Menschen hervorgebracht. Natürlich ist eine Einzelperson nicht daran schuld, dass DEI jetzt teilweise so negativ gesehen wird. Ich hätte es einfach nicht so erwartet.


Das heißt, Du würdest uns allen, die wir uns mit dem Thema DEI beschäftigen, den Impuls mitgeben, dass wir insgesamt auch etwas selbstkritischer auf unsere Arbeit blicken und darauf achten, dass wir die Leute wirklich mitnehmen?

Ich glaube schon und ich glaube auch, dass wir in Deutschland tendenziell nicht so nachdrücklich agiert haben, wie das in den USA passiert ist. Dieser extreme Backlash in den USA hängt vielleicht auch damit zusammen, dass zum Beispiel im Zuge von Black Lives Matter und dem Tod von George Floyd viele Unternehmen sehr viele DE&I-Manager*innen eingestellt haben und plötzlich ganz viele Forderungen da waren – sicherlich zu Recht.

Aber es hat einigen Menschen das Gefühl gegeben, dass nur noch die anderen was kriegen und sie selbst nicht. Ich denke, darauf stützen sich jetzt Trump und Co., indem sie sagen, dass durch DE&I bestimmte Gruppen bevorzug würden - was nicht stimmt. Das Narrativ wird jetzt ja einfach umgedreht.

Und man sieht solche Tendenzen auch in Deutschland. Bestimmte Rechte, für die wir eigentlich schon vor Jahren auf der Straße waren, werden uns teilweise wieder genommen. Sei es in Bezug auf Religion, geschlechtliche Identität, wen ich liebe und so weiter. Das sieht man auch mit unserer neuen Bundesregierung ganz wundervoll - im negativen Sinne.


Empfehlungen für DEI-Manager*innen: Was wirklich zählt

Was würdest du denn mit deiner Erfahrung anderen DEI-Manager*innen raten, die in einem Umfeld agieren müssen, wo sie nicht so viel Rückenwind haben, wo es vielleicht auch kritischere Stimmen und Widerstand gibt. Was könnte helfen?

Ich bin mir sicher, auch in solchen Unternehmen sind sie nicht die einzigen, denen das Thema wichtig ist. Das heißt, erst mal Leute finden, die das Thema ebenfalls wichtig finden, und sei es nur auf einer persönlichen Ebene. Sich ein Soundingboard zu schaffen oder Menschen, mit denen man sich mal austauschen kann, auch unter der Hand. Einfach um zu wissen: Ich bin da nicht alleine.

Meine Devise ist immer „Nüsschen für Nüsschen“, und zu schauen, was erste kleine Schritte sein können. Selbst wenn zu meinem Training nur zehn Personen kommen und eine davon nimmt irgendwas mit - sei es, beim nächsten Mal keinen blöden Witz mehr zu machen oder sich zu überlegen, auf Kolleg*innen zuzugehen, denen es vielleicht weniger gut geht als ihnen selbst -, dann haben wir schon was richtig gemacht. Wenn wir es nur schaffen, eine Person zu erreichen, ist das ein riesen Mehrwert für alle.
 


„DEI ist ein Marathon und kein Sprint und wir werden das wahrscheinlich ein Leben lang machen, im positiven Sinne hoffentlich.“



Ich habe auch gelernt: DEI ist ein Marathon und kein Sprint und wir werden das wahrscheinlich ein Leben lang machen, im positiven Sinne hoffentlich. Wir sollten uns nicht komplett entmutigen lassen, auch in Zeiten wie diesen und auch, wenn es schwerfällt.

Außerdem ist wichtig, sich um sich selbst zu kümmern. Zu schauen, was man noch erreichen kann, was der eigene Wirkungskreis ist, und sich auch externe Netzwerke und Menschen suchen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Das macht es auf der einen Seite leichter, weil man weiß, man ist nicht alleine. Auf der anderen bekommt man vielleicht doch noch den ein oder anderen Impuls, den man nutzen kann. Ich bin heute noch für viele Personen da, die ich aus meinen ehemaligen Unternehmen kenne. Die kommen immer noch ab und zu auf mich zu und ich gebe gerne Tipps. Auch wenn mich Kolleg*innen aus anderen Organisationen nach Tipps fragen, sage ich nie nein. Denn ich denke mir immer: Jede Person, die davon etwas mitlernt, ist eine mehr, die für alle anderen auch etwas Gutes tun kann.


Selbstfürsorge und Resilienz im Diversity Management

Das ist ja auch ein extrem wichtiger Hebel, andere zu befähigen. Wäre das der wertvollste Rat, den du Kolleg*innen in diesem Feld geben würdest oder gäbe es da noch einen anderen?

Auf jeden Fall andere mit zu befähigen, denn zusammen ist es leichter. Aber auch, sich selber einzugestehen: „Es ist okay, wenn mal nicht alles klappt oder wenn man mal Fehler macht.“

Was ich für mich persönlich auch mitnehme, ist zum Beispiel, dass ich keine Nachrichten sehe, wenn ich Urlaub habe. Als ich mit meiner Frau auf Hochzeitsreise war, haben wir sechs Wochen lang nicht erlebt, was auf der Welt passiert ist und es war so ein schönes Gefühl, einfach im Hier und Jetzt zu sein. Ich weiß, für unsere Arbeit ist es super wichtig, up to date zu sein, aber in den sechs Wochen hätte ich sowieso nichts machen können. Ich weiß nicht, was in der Zeit auf der Welt passiert ist, außer dass ich mit meiner Frau die Welt erkundet habe. Das war sehr, sehr schön und hat mir viel Energie gegeben.

Ich kann allen DEI-Manager*innen nur empfehlen: Wenn ihr Urlaub habt, dann auch wirklich keine Nachrichten anzuschauen und vielleicht auch kein Social Media zu nutzen. Ich habe die Zeit sehr genossen und danach konnte ich meine Arbeit wunderbar weitermachen. Das wäre mein dritter Tipp, auch wenn das natürlich jede Person für sich entscheiden muss. Aber mir tut das wahnsinnig gut.

Liebe Lisa, ich könnte noch stundenlang mit Dir weiterreden, das war ein sehr inspirierendes Gespräch mit sehr vielen hilfreichen Impulsen und spannenden Einblicken. Tausend Dank dafür! 

 



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